Was ist da los, wenn man in einer lauschigen Mainacht durch das Erdgeschoss-Fenster des Alten Forsthauses in Schönau schaut und dabei 13 weibliche Personen auf einem großen Sofa und Stühlen im Kreis sitzen sieht, die mit fest geschlossenen Augen und voller Konzentration einer stehenden Erzählerin lauschen? ... Es könnte sich um ein Element im Rahmen einer Philosophiefahrt zum Thema "Zeit" handeln...
Die Unterkunft war auch heuer das Forsthaus Schönau am Königssee, ein Schullandheim bzw. Ferienhaus für Menschen mit und ohne Hörbehinderung. Das Haus existiert schon seit rund 30 Jahren und lädt als gut funktionierendes Selbstversorgerhaus Gruppen und Familien zum genussvollen Kochen und Essen ein.
Am Nachmittag des zweiten Tages konnte endlich die geplante Kräuterwanderung stattfinden, mitten in die blühende Gegenwart hineinführte: Gänseblümchen, Löwenzahn, Spitz- und Breitwegerich, Brennnessel, Bärlauch, Holunder, Mädesüß, Fichtensprösslinge, wilder Majoran, Schafgarbe... Die Wiesen des Berchtesgadener Landes bieten gerade Anfang Mai eine überreiche Ansammlung verschiedenster, auch seltener essbarer Wildkräuter, die vor allem in Nischen gedeihen und ihre berühmte Heilwirkung aus der Widerstandskraft gegenüber der Kargheit ihres Lebensraums schöpfen.
Das Thema Vergangenheit nahm seinen Beginn am Abend des ersten Tages. In stimmungsvoller Runde wurde hier die Sage vom Untersberg verlesen, deren Mythos vom schlafenden Kaiser Karl dem Großen in den Zeiten des Nationalsozialismus von Adolf Hitler höchstpersönlich missbraucht wurde. Vis à vis zum Untersberg entstanden im Gebiet des Obersalzberg ab den 1930er Jahren Häuser und Anlagen des sogenannten "Führersperrgebiets". Die Bewohner des Obersalzbergs wurden damals zur Umsiedlung – u.a. nach Schönau – gezwungen. Diese Ereignisse sowie die weitere folgenschwere Geschichte des Ausbaus der nationalsozialistischen Macht werden im Obersalzberger Dokumentationszentrum sorgfältig präsentiert.
Es bleibt noch – die Zukunft. Der Philosoph Ernst Bloch schrieb sein Hauptwerk "Das Prinzip Hoffnung" während des Zweiten Weltkriegs angesichts des tobenden Untergangs der Hitler-Diktatur. Hier steht der Satz: „Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen.“ Eine verantwortete Zukunft ist das Werk einer bewussten Gegenwart. In Schönau zeigten sich unter den Schülerinnen von Tag zu Tag immer mehr ihre wertschätzende Gemeinschaft und vor allem eine wachsende bewusste Gesprächskultur, die im wahrsten Sinne des Wortes Anlass zur Hoffnung geben.
Eva Straub-Kölcze
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