Latein wird am GG als 2. Fremdsprache von Klasse 6 an (wahlweise mit Französisch) angeboten. Der Sprachlehrgang vermittelt in 3 Jahren (mit entsprechend vielen Lehrbüchern!) die für das Verstehen lateinischer Texte nötigen Wortschatz- (ca. 1300 Wörter) und Grammatikkenntnisse. Daran schließt sich – mindestens bis Klasse 10, gegebenenfalls bis zum Abitur – die sogenannte Lektürephase an, während der die Schüler über der Beschäftigung mit maßgeblichen lateinischen Texten der Antike vertiefte Kenntnisse der antiken Geschichte, Kultur, Literatur und Philosophie erwerben. Dabei behält der Lateinunterricht auch die Welt der griechischen Antike im Blick, da das Fach sich unter den heutigen Bedingungen (nur noch wenige humanistische Gymnasien) als Sachwalter der gesamten Klassischen Antike versteht.
Ganz anders als in den modernen Fremdsprachen liegt bei der „toten Sprache“ Latein der Schwerpunkt nicht in der Vermittlung kommunikativer Kompetenzen, sondern in Übersetzungstechniken, vergleichender Sprachbetrachtung und genauer Textanalyse, Fähigkeiten, die in vielen anderen Bereichen ebenfalls gebraucht werden. Die durch das Fach vermittelten Kenntnisse und Begriffe aus den Bereichen Grammatik, Rhetorik und Metrik sind ein elementarer Bestandteil europäischer Bildung geworden. Die Auseinandersetzung mit den politischen und philosophischen Modellen der Klassischen Antike ist nicht nur für den Einzelnen eine intellektuelle Anregung und Bereicherung, sondern ein Schlüssel zum Verständnis der europäisch-abendländischen Kulturentwicklung.
In den letzten Jahren haben sich deutlich weniger Schüler der 6. Jahrgangsstufe des GG für Latein entschieden. Das mag mit dem Trend zu unmittelbarer Anwendbarkeit des Gelernten, wie es in den modernen Fremdsprachen der Fall ist, zusammenhängen. Doch spielt sicher auch die Angst vor schlechten Noten und Versagen gerade in diesem Fach eine Rolle. Tatsächlich ist Latein häufig – im positiven oder negativen Sinne – das Kriterium der gymnasialen Eignung von Schülern. Das hängt aber auf keinen Fall mit einem höheren Schwierigkeitsgrad des Faches zusammen, sondern mit dem verbreiteten Problem, die gerade hier unverzichtbare kontinuierliche und systematische Lernhaltung aufzubringen.
Dr. H. Storm